Liebe Frau Hartung, liebes Memory-Solution-Team,
mittlerweile unterstützt Memorysolution unsere Arbeit nun schon seit mehreren Jahren und die Dankbarkeit, die ich für dieses außergewöhnliche Engagement und die damit einhergehende Wertschätzung unserer Arbeit empfinde, lässt sich kaum in die richtigen Worte fassen.
Seit dem Einzug in die Geschäftsstelle mit integrierten Elternunterkünften für die Familien, deren Kind – auf Grund einer Listung für eine Herztransplantation oder schweren komplizierten Verläufen- langfristig in Freiburg sein müssen, haben wir sehr viele Eltern und Familien hautnah begleitet und viele Schicksale erlebt.
Das macht die Arbeit einerseits noch intensiver und mental anstrengender, andererseits ist der Dank, den man erfährt und das Wissen darum, dass die Arbeit, die man macht so wichtig ist, den Preis wert.
In diesem Jahr sind mir zwei ganz besondere Menschen vor die Füße gefallen: Daniel Kobudzinski und seine- mittlerweile- Verlobte Nadine.
Daniel kam 1980 mit einer sehr schweren, komplexen Herzfehlbildung auf die Welt, stand vor der Wahl gleich zwei Organtransplantationen am Herzzentrum in Berlin durchführen zu lassen oder hier bei uns in Freiburg den Versuch zu wagen, seine eigene Herzfehlbildung dahingehend zu korrigieren, dass es mit dem Leben vereinbar ist. Wofür er sich entschloss, seine Koffer packte – ebenso wie seine in Niedersachsen lebende Verlobte und hierher nach Freiburg kam. Während Daniel im Herzzentrum zunächst fast vier Monate auf der Intensivstation lag, lebte Nadine- zeitweise gemeinsam mit ihren drei Kindern, bei mir im Elternhaus, um in Daniels Nähe zu sein und ihn auf seinem Weg zu unterstützen. Insgesamt für fast sechs Monate (mit Unterbrechungen).
Daniel verfügt nun über 41 Jahre Lebenserfahrung mit einem Herzfehler.
Was auf Grund der Schwere seines Herzfehlers außergewöhnlich ist und gerade für junge Eltern, die sich plötzlich mit solch einer Diagnose bei ihrem eigenen Kind konfrontiert sehen, ein Lichtblick am Ende des dunklen Tunnels ist, Kraft und Zuversicht gibt und Mut macht.
Junge Erwachsene mit angeborenem Herzfehler, die sich im Dschungel der deutschen bürokratiebelasteten Gesundheitsversorgung, Ämtern usw. befinden, kann er aus eigener Erfahrung beraten, ist in der Lage zu verstehen, was es bedeutet, chronisch krank auf die Welt zu kommen und dann aber auf Grund einer Erwerbsminderung-oder unfähigkeit durch alle Raster zu fallen.
Deshalb möchte ich ihn in mein Team holen und ihm eine Chance geben selber einen für ihn wertvollen Beitrag zum Leben und für die Gesellschaft leisten zu können. Und unseren Herzkindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen Berater an die Seite zu stellen, der sich auskennt.
Und jetzt stehe ich hier, möchte ihm zusichern, dass er im Team willkommen ist und das auch langfristig, möchte ihm die Gelegenheit zu einer erwerbsfähigen Tätigkeit geben, die sein Budget verbessert und ihn aus seiner Depression holt und stelle fest, dass der Grund, warum ich ihn beschäftigen möchte- nämlich Menschen dabei zu unterstützen einen Weg in ein selbstbestimmtes Leben mit Berufstätigkeit, die die Lebenshaltungskosten auch abdecken, für mich als potentiellen Arbeitgeber bedeutet, auf Spenden für seine Stelle angewiesen zu sein, weil es keine öffentlichen Förderungen gibt:
weder vom Sozialamt in Form einer Eingliederungshilfe für Behinderte- denn dafür ist er nicht behindert genug, noch vom Jobcenter oder Arbeitsamt, denn auf Grund seiner Frühverrentung kann er sich nicht arbeitssuchend melden und kann nicht gefördert oder integriert werden, es kann auch keine Inklusion stattfinden, denn dafür reicht eine Tätigkeit auf 450 Euro-Basis nicht aus usw….
Ich wünsche mir Daniel als Mitarbeitenden an meiner Seite, um unsere Arbeit zu verbessern, um noch mehr Menschen zu helfen und den Anforderungen, die sich daraus ergeben, dass man seit den 1960er Jahren Menschen und später auch Kinder unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine am stehenden Herzen operieren kann. Heute gibt es etwa 300.000 Erwachsene mit schwerem angeborenem Herzfehler, die nun in unser bestehendes und sehr starres System integriert werden müssen.
Ich möchte mich bei Memorysolution für die großartige Unterstützung bedanken. Dank Ihnen können wir neue Möglichkeiten schaffen.
Ihre, Petra Huth, B.A.
Geschäftsführerin Elterninitiative Herzkranke Kinder Südbaden “Herzklopfen”e.V.
www.herzklopfen-ev.de | petra.huth@herzklopfen-ev.de
Tel.: +49 761 – 477 464 44 | mobil +49 159 06332814
Daniel Kobudzinski, geboren 1980 mit einem Ventrikelseptumdefekt (VSD) und einer Transposition der großen Arterien (TGA)
Leben mit schwerem Herzen
Im September 1980 kam ich mit einem sehr komplexen, angeborenem Herzfehler zur Welt, einem Ventrikelseptumdefekt (VSD) und einer Transposition der großen Arterien (TGA). Damals gab es noch nicht die Möglichkeit einer Switch-OP, um den Herzfehler wie heute üblich – im Kindesalter zu korrigieren und so wurde ich im Verlauf meines Lebens mit zunehmendem Alter immer weniger belastbar. Ich war zyanotisch, bekam Trommelschlägelfinger, die Luft wurde knapp, da sich in meinem fehlgebildeten Herzen das sauerstoffarme mit dem sauerstoffgesättigtem Blut vermischte. An guten Tagen lag mein Sauerstoffgehalt bei 85%, an Schlechten im besten Fall bei knappen 67%. Zum Vergleich: Ein gesunder Mensch hat einen Sauerstoffgehalt zwischen 95 und 100 Prozent.
Schon bei geringer Anstrengung war ich schnell außer Atem, konnte mich körperlich nicht belasten, fühlte mich – aus meiner Sicht – wie kein richtiger Mann, vor allem nachdem ich 2007 wegen voller Erwerbsminderung frühverrentet wurde und ich von da an keine realistische Perspektive mehr hatte, zum Lebensunterhalt innerhalb einer Familie das nötige Geld beisteuern zu können. Neben dem physischen Abstieg folgte also auch der Psychische. 2020 stand ich kurz davor, dem Rat der Ärzte im Deutschen Herzzentrum Berlin zu folgen und einer Herz- und Lungentransplantation zuzustimmen. Sie wiesen mich auf die Notwendigkeit hin, mich ins Krankenhaus einweisen zu lassen, damit ich auf der Transplantationsliste als hochdringlich eingestuft werden konnte und nicht allzu lange auf die Spenderorgane warten musste.
Irgendwie fühlte sich dies alles für mich aber nicht richtig an. Dass allerdings etwas geschehen muss, zeigte mir mein Gesundheitszustand eindringlich und so begann ich nach Alternativen zu suchen.
Von der Klinik für Angeborene Herzfehler und Pädiatrische Kardiologie Universitäts Herzzentrum Freiburg Bad Krozingen am Standort Freiburg erhielt ich dann den Vorschlag, meinen Herzfehler durch eine Korrektur zu beheben/ die Situation zu verbessern. Nach einer Bedenkzeit von zwei Wochen, entschied ich mich für die OP und nahm dieses
höchst ambitionierte Angebot sehr gerne an.
In der langen Zeit, die auf die große und äußerst riskante Operation folgte, die vielen langen Wochen, die ich in
Freiburg auf der Intensiv und im Anschluss auf der (Kinderherz-)Station Noeggerath verbracht habe, war der
Seelsorger Jens Terjung, der mit jeweils 50 % von „Herzklopfen“ Elterninitiative Herzkranke Kinder Südbaden e.V. und 50% von der Uniklinik bezahlt wird, fast jeden Tag für mich als Ansprechpartner, starke Schulter und „Freund“ an meiner Seite. Er vermittelte zwischen den Ärzten und mir als ich nach der Narkose wegen eines Luftröhrenschnittes nicht sprechen konnte, half mir dabei, wieder laufen zu lernen und motivierte mich, mein Leben wieder selbstbestimmt und eigenständig in die Hand zu nehmen. Er war unabdingbar vor Ort und für mich und meine Partnerin da, die in dieser Zeit in der Elternwohnung der Elterninitiative lebte, herzlicher als jedes warme, gutgemeinte Wort eines Arztes, denn Jens Terjung begegnet seinem Gegenüber mit Empathie und auf Augenhöhe.
Und nun sitze ich hier heute mit einem Freund, mitten drin in einer Bar und wir trinken Kaffee. Er fragt, ob ich gerne noch einen trinken würde. Und zuvor, wie es mir denn geht. Aber das habe ich eigentlich schon mehrfach erzählt und auch habe ich erzählt, dass mein Bewegungsapparat noch immer nicht voll wieder hergestellt ist, ich Schmerzen in den Gelenken habe, mein zerebrales System nicht in Ordnung ist, ich immer wieder irgendetwas vergesse, mich bisweilen nicht an Gesprächsinhalte erinnern kann und Wortfindungsstörungen habe. Was noch gravierender für meine Lebensqualität ist, ist der Umstand, dass ich wegen eines Nierenversagens auch nicht mehr als einen Liter am Tag trinken darf, da es ansonsten zu Problemen mit dem Herzen kommt, welches dann unter Umständen überlastet ist. Weiter kommt dazu, dass sich Flüssigkeit in meinem ganzen Körper ansammelt, ebenso in der Lunge. Was das bedeutet, kann sich jeder ausmalen.
Und dass ich als „Nebenwirkung“ der Operation im März 2021 nun noch immer drei Mal die Woche an der Dialyse hänge. Dass mein Sexualleben brach liegt: Auch das ist nach der fast lebenslangen Zeit der gesundheitlichen Einschränkungen – nachdem ich 2019 die Liebe meines Lebens gefunden habe und diese Liebe von dieser wunderbaren Frau erwidert wird – hochgradig frustrierend. Aber ich werde seiner Frage mal weiter nachgehen, denn ich will es ja auch loswerden, damit er mich besser versteht, wenn ich mich mal depressiv verhalte oder mich ängstlich, aggressiv benehme.
Und wenn wir schon hier sitzen und Kaffee trinken, 200 von 1000 erlaubten Millilitern, und ich dann gefragt werde, ob ich noch einen trinken möchte, dann fühle ich mich nicht ernst genommen oder um es mal ganz platt auszudrücken „verarscht“. Und fühle den Drang aufzuspringen und nach draußen zu gehen, die Menschen wachzurütteln für die vielfältigen Probleme, die es mit sich bringt, wenn man chronisch krank zur Welt kommt, überlebt und dann als Erwachsener durch alle Raster fällt, nicht ernstgenommen wird und niemand sich wirklich zuständig fühlt. In Freiburg habe ich Verständnis und Unterstützung gefunden, Menschen, die mich und meine Probleme wahrnehmen und nicht nur abtun. Hier möchte ich mich einbringen und mich engagieren, denn ich finde Herzklopfen e.V. unbedingt unterstützenswert, möchte mich auch in diesem Verein engagieren, der da hilft, wo Hilfe nötig ist.
Aber auch um für mich selber einen geregelteren Ablauf zu haben, mehr Struktur in meine Wochen zu bringen und weil ich dadurch wieder das Gefühl habe, etwas Sinnhaftes für die Gesellschaft zu tun und Teil davon zu sein. Ich möchte mich gemeinsam mit Herzklopfen e.V. stark machen für diejenigen, die zu den etwa 300.000 Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) und den rund 200.000 Kindern und Jugendlichen mit der gleichen Diagnose gehören. Das Angebot des Erfahrungsaustauschs von Peer zu Peer, also von Mensch zu Mensch in gleichen oder ähnlichen Lebenssituationen: Aus eigener lebenslanger und manchmal schmerzhafter Erfahrung weiß ich, dass gerade diese Patientengruppe und deren Angehörige viel Hilfe und Unterstützung auf ihrem Weg benötigen. Sei es bei der Kostenübernahme der Behandlungen beim Kinderkardiologen nach dem 18. Lebensjahr, um Berufsfindung, Behindertenstatus, Reisen mit angeborenem Herzfehler, usw..
Herzklopfen e.V. gibt mir die Chance mich einzubringen, teilzuhaben und integriert zu sein in ein fantastisches und sinnvolles Projekt und ich freue mich sehr darauf, andere „Herzkindern“ und ihren Familien auf ihrem – oft harten- Weg beratend, zuhörend und verstehend zur Seite stehen zu dürfen.
Daniel Kobudzinski
Nadine & Daniel, 2021
Quelle: Privat
Daniels Herzfehler: Transposition der großen Arterien (TGA)
Quelle: https://www.ukm.de/index.php?id=9092, abgerufen am 19.11.2021
Bei der Transposition der großen Arterien (TGA) ist der Ursprung der beiden großen Gefäße vertauscht. Die Körperschlagader (Aorta) entspringt an der Stelle, an der sich beim gesunden Herzen die Lungenschlagader befindet. Umgekehrt befindet sich die Lungenschlagader (Pulmonalarterie) an der Stelle, an der beim gesunden Herzen die Körperschlagader ist. Das sauerstoffarme Blut fließt aus der rechten Herzkammer über die Aorta direkt zurück in den Körper, ohne vorher Sauerstoff aufgenommen zu haben. Das sauerstoffreiche Blut wird von der linken Herzkammer zurück zur Lunge gepumpt, es kann also dem Körperkreislauf kein Sauerstoff zugeführt werden.
Gibt es hier keine zusätzlichen Verbindungen zwischen der rechten und der linken Herzseite durch einen noch bestehenden fetalen Kreislauf, kann das Kind nicht überleben.
Der fetale Kreislauf bewirkt, dass sich durch den Ductus arteriosus Botalli und das offene Foramen ovale sauerstoffarmes und sauerstoffreiches Blut mischt und so auch Sauerstoff in den Körper kommt. Die Durchmischung von sauerstoffarmem und sauerstoffreichem Blut ist abhängig von der Größe der Verbindungen. Ist das Foramen ovale zu eng, muss es erweitert werden, um eine bessere Durchmischung des Blutes zu erreichen.
Der Ductus arteriosus Botalli ist eine offene Verbindung zwischen Körperschlagader und Lungenschlagader, die sich beim Neugeborenen noch nicht selbständig verschlossen hat. Das Foramen ovale ist eine Öffnung in der Scheidewand zwischen den beiden Vorhöfen, die sich normalerweise nach der Geburt auch selbständig verschließt.
Als Folge der Sauerstoff-Unterversorgung kommt es zu einer Blaufärbung der Haut, der Lippen und der Nägel (Zyanose) und zu Sauerstoffmangel (Hypoxie). Die Hypoxie führt meistens zu Atemnot und Herzrasen.
Das Ausmaß einer Zyanose ist abhängig davon, wie viel sauerstoffreiches Blut über das Foramen ovale aus dem linken in den rechten Vorhof fließt.
Quelle: https://www.ukm.de/index.php?id=9089, abgerufen am 19.11.2021
Beim Ventrikelseptumdefekt (VSD) befindet sich ein Loch in der Scheidewand zwischen linker und rechter Herzkammer. Handelt es sich um einen kleinen Ventrikelseptumdefekt, tritt sauerstoffreiches Blut aus der linken in die rechte Herzkammer und von dort in die Lunge. Je nach Größe des Lochs führt das zu einer mehr oder weniger erhöhten Lungendurchblutung. Bei großen Löchern kommt es zusätzlich zu einem Druckanstieg in der rechten Herzkammer. Dieser hohe Druck setzt sich dann auch in die Lungenarterien. Der Lungenhochdruck verursacht das schnelle Atmen und die Atemnot, die sich bei Kindern mit einem solchen Defekt entwickeln kann.Es kann sich bei einem Ventrikelseptumdefekt aber auch um eine mehrfach durchlöcherte Kammerscheidewand handeln. Sie sieht dann aus wie ein „Schweizer Käse“. Zusammen können diese Defekte wirken wie ein großes Loch.
Oft tritt ein Ventrikelseptumdefekt zusammen mit anderen Fehlbildungen am Herzen auf.
memorysolution.de
Geschrieben am: 2021-12-17